„Das Denken, das Lösungen kreiert, unterscheidet sich vom Denken, das Probleme beschreibt“ (Steve de Shazer, 1997)
Seit der Einführung des lösungsorientierten Ansatzes (im weiteren Text LoA genannt) sind einige Monate vergangen. Es zeigte sich, dass wir in unserer Arbeitsweise schon viele Elemente umsetzen, so z.B. in der Gesprächsführung, beim gemeinsamen Erstellen einer Förderplanung oder in unserer Ressourcenorientierung. Der LoA erfindet den Menschen, respektive die Pädagogik ja nicht komplett neu. Was also macht den lösungsorientierten Ansatz für uns interessant? Zunächst bringt er Haltungen und Methoden ein, die uns in vielerlei Hinsicht unterstützen. Das beginnt schon auf persönlicher Ebene beim lösungsorientierten Umgang mit sich selbst (z.B. beim Entwickeln eines positiven Menschenbildes). Auf professioneller Ebene trägt er mit seinen Haltungen und Grundannahmen zu einer größeren Handlungssicherheit bei und korrespondiert mit den in unserem sozialpädagogischen Konzept beschriebenen Wertehaltungen und Prämissen (z.B.: unserem Menschenbild, Wertschätzung, Inklusion, Partizipation, Autonomie). Die vermittelten Methoden sind für deren Umsetzung hilfreich, in alltäglichen Situationen ebenso wie in einem Beratungssetting.
Gedanken aus dem Team zur Adaption auf unser Handlungsfeld und mögliche Antworten darauf:
Der Theorie-Praxis-Transfer ist immer eine bereichernde Herausforderung. Der LoA setzt sich mit der Konstruktion von Wirklichkeit auseinander, er beschäftigt sich mit der Selbstmotivation, er fokussiert sich auf die gelingenden Aspekte, sucht nach Ressourcen. Das alles sind Themen, die nicht nur einem bestimmten Alter oder einem rein therapeutischen Setting zuzusprechen sind.
Ohne die entsprechende Haltung könnte das stimmen, sie könnte sogar zur Manipulation gebraucht werden. Es geht aber darum, das Gegenüber ernst zu nehmen und beim Erreichen dessen eigener Ziele zu unterstützen, um so eine möglichst grosse Motivation aufzubauen. Die LoA- Grundannahmen, unsere pädagogischen Prämissen als Leitziele und die Entwicklung unserer Haltungen sichern uns vor Manipulation oder Willkür.
Ressourcen tragen zur Lebensqualität bei. Das Ziel unserer Arbeit ist diese zu fördern, oft geht es aber auch darum, diese zu erhalten, denn eine Ressource zu verlieren ist gravierend. Umso wichtiger ist es, die Selbstmotivation zu stärken. Motivation hat, wie die Kommunikation, ihre eigenen Mechanismen. Diese gelten, vielleicht mit Anpassungen, im Grundsatz auch für psychisch oder kognitiv Beeinträchtigte. Die lösungsorientierte Arbeit hängt nicht vom Intellekt des Gegenübers ab, bei Skalenfragen beispielsweise könnte auch mit Piktogrammen gearbeitet werden.
Nein. Jeder Mensch ist in ein System eingebunden, es bestehen Rahmenbedingungen, die das Zusammenleben erst ermöglichen. Unserer Selbstentfaltung sind also gewisse Grenzen gesetzt. Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sind vom sozialen Netz abhängig, da liegen viele Wünsche schon finanziell nicht „im Rahmen“ oder sind gesetzlich geregelt und damit gar nicht erst verhandelbar. Anders sieht es bei den Rahmenbedingungen aus, die beeinflussbar sind, da sollten die individuellen Freiheiten ausgeschöpft werden können. Ziele auszuarbeiten ist immer eine Verhandlungssache, mit sich selbst oder der Bezugsperson.
Interessant wird es bei ethischen Fragen. Wo liegen die Grenzen der Selbstbestimmung (z.B. bei selbstschädigendem Verhalten)? Wann überwiegt unsere fürsorgerische Verantwortung
Träume darf jeder haben, sie gehören zur Antriebskraft des Menschen. Luftschlösser zu bauen bedeutet ja noch keinen Realitätsverlust. Vielleicht findet der Traum ein Star zu sein seine realistische Erfüllung beim Zirkusbesuch. Hat nicht schon Lao-Tse (oder hiess der LoA-Tse?) im 6. Jahrhundert vor Chr. gesagt: „Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt?“
Wir unterscheiden die Alltags- und die Reflexionsebene. Auf der Alltagsebene bewegen wir uns beispielsweise beim gemeinsamen Essen, bei der Arbeit oder bei informellen Gesprächen. Auf der Reflexionsebene wird den Beteiligten die Möglichkeit gegeben, über das, was im Alltag geschieht nachzudenken, daraus Schlüsse zu ziehen und Strategien zu entwickeln. Dies findet z.B. bei Einzelgesprächen, Förderplanungen, Standortbestimmungen, Konfliktgesprächen und ähnlichem statt.
Unsere Erfahrungen analog zu den 7 Grundannahmen des LoA (vergl. Baeschlin, Marianne und Kaspar, 2001)
Damit sind wir täglich konfrontiert. Beispiele dafür finden sich beim selbstverletzenden Verhalten oder bei der Sucht. Wenn wir diese als Lösungsversuch anerkennen, ergeben sich neue, lösungsorientierte Perspektiven und wir halten diese Auswirkungen besser aus.
Diese Annahme unterstützt unsere Orientierung an den Ressourcen einer Person. Für die Erreichung eines Zieles können allenfalls zu wenig Ressourcen vorhanden sein. Dann gilt es, die Ziele an die Ressourcen anzupassen und dafür ist vor allem das Klientel kundig und kompetent.
Es ist unangenehm, wenn das gegenüber in einem Gespräch schon zu wissen glaubt, was man denkt. Um dies zu vermeiden, gilt es, aktiv zuzuhören und nachzufragen. Die Beantwortung von Fragen hilft, die eigene Meinung zu erkennen. Es unterstützt ebenso das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen (hermeneutischer Zirkel).
Die Motivation, an sich zu arbeiten entsteht aus der Sinnhaftigkeit der gesetzten Ziele. Menschen können sich nur selbst verändern und sollten ihre Ziele daher selber setzen. Kleinere Zwischenschritte zu machen erhöht die Chance auf Erfolg. Der Fokus auf das Gelingende bestärkt den Menschen in seiner Selbstwirksamkeit. Die Verantwortung für die Realisierung ihrer Vorhaben bleibt im Gegenzug konsequent bei der Klientel. Das hat mit Anerkennung der Person zu tun und entlastet das pädagogische Personal.
Ohne den Glauben an die Entwicklungsfähigkeit des Menschen wäre unsere Arbeit nicht möglich. Der Blick auf die Ausnahmen hilft, neue Wege zu erkennen.
Diese Aussage macht uns wieder bewusst, wie wichtig wir als Teil einer Gemeinschaft sind. Mit unserem Denken und unserer Sprache konstruieren auch wir Wirklichkeiten. Unser positives Menschenbild ist dafür sicher förderlich.
Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sind abhängig von der Sozialhilfe, der IV oder der EL. Diese bestimmen den finanziellen Rahmen. Trotz aller Freiwilligkeit eines Aufenthaltes in einem Heim, sind es die Lebensumstände, die dazu zwingen. Dass es in dieser Situation zu Widerständen kommen kann ist verständlich. Dementsprechend sollte der Widerstand nicht als gegen uns gerichtet verstanden werden, sondern als Versuch, sich gegen seine Lebenslage zu wehren, was einem ersten Schritt zu Veränderung entspricht.
Schlusswort
„Das Modell ist einfach, aber nicht leicht“ (Insoo Kim Berg, Mitbegründerin LoA)
Wir sind uns bewusst, dass wir uns mit dem lösungsorientierten Ansatz auf einen längeren Prozess einlassen. Auch wenn alle Mitarbeitenden geschult sind, kann er nicht einfach eingeführt werden. Die Haltungen dazu müssen sich bilden und die Methoden in die Arbeit einfliessen und sich bewähren können. Der Grundstein dafür ist gelegt und wir sind nun aufgefordert, auszuprobieren und unsere Erfahrungen auszuwerten.
Der lösungsorientierte Ansatz beschränkt sich nicht nur auf die Arbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Er ist ebenso hilfreich und vorteilhaft in der Teamarbeit, für die Zusammenarbeit in der Organisation, mit Dritten – und, nicht zuletzt, im Umgang mit sich selbst.
Neuhausen, den 21.05.2019
Jost Bierdämpfel